[{"pageid": 137818, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 001.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137819, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 002.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137820, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 003.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137821, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 004.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137822, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 005.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137823, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 006.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137824, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 007.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137825, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 008.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137826, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 009.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137827, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 010.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137828, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 011.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137829, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 012.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137830, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 013.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137831, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 014.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137832, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 015.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137833, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 016.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137834, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 017.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137835, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 018.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137836, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 019.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137837, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 020.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137838, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 021.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137839, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 022.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137840, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 023.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137841, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 024.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137842, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 025.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137843, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 026.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137844, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 027.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137845, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 028.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137846, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 029.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137847, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 030.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137848, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 031.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137849, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 032.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137850, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 033.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137851, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 034.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137852, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 035.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137853, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 036.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137854, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 037.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137855, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 038.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137856, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 039.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137857, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 040.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137858, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 041.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137859, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 042.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137860, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 043.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137861, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 044.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137862, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 045.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137863, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 046.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137864, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 047.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137865, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 048.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137866, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 049.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137867, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 050.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137868, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 051.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137869, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 052.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137870, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 053.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137871, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 054.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137872, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 055.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137873, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 056.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137874, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 057.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137875, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 058.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137876, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 059.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137877, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 060.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137878, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 061.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137879, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 062.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137880, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 063.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137881, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 064.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137882, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 065.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137883, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 066.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137884, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 067.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137885, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 068.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137886, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 069.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137887, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 070.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137888, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 071.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137889, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 072.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137890, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 073.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137891, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 074.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137892, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 075.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137893, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 076.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137894, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 077.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137895, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 078.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137896, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 079.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137897, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 080.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137898, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 081.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137899, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 082.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137900, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 083.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137901, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 084.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137902, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 085.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137903, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 086.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137904, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 087.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137905, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 088.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137906, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 089.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137907, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 090.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137908, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 091.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137909, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 092.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137910, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 093.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137911, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 094.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137912, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 095.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137913, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 096.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137914, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 097.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137915, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 098.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137916, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 099.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137917, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 100.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137918, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 101.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137919, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 102.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137920, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 103.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137921, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 104.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137922, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 105.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137923, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 106.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137924, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 107.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137925, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 108.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137926, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 109.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137927, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 110.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137928, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 111.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137929, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 112.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137930, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 113.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137931, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 114.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137932, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 115.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137933, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 116.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137934, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 117.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137935, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 118.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137936, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 119.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137937, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 120.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137938, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 121.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137939, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 122.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137940, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 123.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137941, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 124.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137942, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 125.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137943, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 126.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137944, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 127.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137945, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 128.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137946, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 129.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137947, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 130.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137948, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 131.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137949, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 132.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137950, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 133.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137951, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 134.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137952, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 135.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137953, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 136.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137954, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 137.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137955, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 138.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137956, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 139.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137957, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 140.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137958, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 141.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137959, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 142.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137960, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 143.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137961, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 144.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137962, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 145.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137963, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 146.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137964, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 147.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137965, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 148.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137966, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 149.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137967, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 150.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137968, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 151.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137969, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 152.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137970, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 153.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137971, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 154.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137972, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 155.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137973, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 156.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137974, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 157.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137975, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 158.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137976, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 159.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137977, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 160.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137978, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 161.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137979, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 162.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137980, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 163.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137981, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 164.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137982, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 165.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137983, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 166.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137984, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 167.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137985, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 168.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137986, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 169.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137987, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 170.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137988, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 171.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137989, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 172.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137990, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 173.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137991, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 174.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137992, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 175.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137993, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 176.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137994, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 177.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137995, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 178.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137996, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 179.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137997, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 180.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137998, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 181.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 137999, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 182.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138000, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 183.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138001, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 184.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138002, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 185.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138003, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 186.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138004, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 187.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138005, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 188.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138006, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 189.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138007, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 190.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138008, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 191.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138009, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 192.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138010, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 193.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138011, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 194.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138012, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 195.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138013, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 196.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138014, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 197.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138015, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 198.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138016, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 199.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138017, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 200.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138018, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 201.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138019, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 202.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138020, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 203.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138021, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 204.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138022, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 205.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138023, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 206.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138024, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 207.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138025, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 208.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138026, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 209.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138027, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 210.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138028, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 211.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138029, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 212.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138030, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 213.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138031, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 214.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138032, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 215.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138033, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 216.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138034, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 217.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138035, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 218.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138036, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 219.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138037, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 220.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138038, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 221.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138039, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 222.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138040, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 223.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138041, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 224.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138042, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 225.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138043, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 226.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138044, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 227.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138045, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 228.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138046, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 229.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138047, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 230.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138048, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 231.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138049, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 232.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138050, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 233.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138051, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 234.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138052, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 235.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138053, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 236.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138054, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 237.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138055, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 238.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138056, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 239.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138057, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 240.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138058, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 241.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138059, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 242.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138060, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 243.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138061, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 244.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138062, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 245.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138063, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 246.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138064, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 247.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138065, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 248.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138066, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 249.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138067, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 250.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138068, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 251.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138069, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 252.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138070, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 253.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138071, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 254.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138072, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 255.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138073, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 256.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138074, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 257.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138075, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 258.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138076, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 259.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138077, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 260.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138078, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 261.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138079, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 262.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138080, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 263.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138081, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 264.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138082, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 265.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138083, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 266.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138084, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 267.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138085, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 268.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138086, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 269.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138087, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 270.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138088, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 271.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138089, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 272.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138090, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 273.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138091, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 274.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138092, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 275.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138093, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 276.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138094, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 277.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138095, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 278.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138096, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 279.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138097, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 280.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138098, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 281.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138099, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 282.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138100, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 283.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138101, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 284.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138102, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 285.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138103, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 286.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138104, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 287.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138105, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 288.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138106, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 289.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138107, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 290.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138108, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 291.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138109, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 292.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138110, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 293.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138111, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 294.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138112, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 295.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138113, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 296.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138114, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 297.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138115, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 298.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138116, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 299.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138117, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 300.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138118, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 301.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138119, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 302.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138120, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 303.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138121, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 304.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138122, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 305.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138123, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 306.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138124, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 307.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138125, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 308.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138126, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 309.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138127, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 310.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138128, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 311.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138129, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 312.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138130, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 313.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138131, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 314.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138132, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 315.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138133, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 316.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138134, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 317.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138135, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 318.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138136, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 319.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138137, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 320.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138138, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 321.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138139, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 322.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138140, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 323.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138141, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 324.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138142, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 325.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138143, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 326.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138144, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 327.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138145, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 328.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138146, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 329.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138147, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 330.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138148, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 331.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138149, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 332.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138150, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 333.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138151, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 334.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138152, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 335.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138153, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 336.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138154, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 337.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138155, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 338.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138156, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 339.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138157, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 340.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138158, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 341.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138159, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 342.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138160, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 343.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138161, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 344.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138162, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 345.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138163, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 346.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138164, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 347.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138165, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 348.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138166, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 349.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138167, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 350.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138168, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 351.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138169, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 352.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138170, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 353.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138171, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 354.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138172, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 355.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138173, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 356.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138174, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 357.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138175, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 358.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138176, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 359.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138177, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 360.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138178, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 361.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138179, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 362.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138180, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 363.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138181, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 364.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138182, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 365.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138183, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 366.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138184, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 367.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138185, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 368.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138186, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 369.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138187, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 370.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138188, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 371.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138189, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 372.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138190, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 373.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138191, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 374.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138192, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 375.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138193, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 376.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138194, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 377.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138195, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 378.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138196, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 379.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138197, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 380.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138198, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 381.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138199, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 382.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138200, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 383.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138201, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 384.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138202, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 385.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138203, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 386.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138204, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 387.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138205, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 388.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138206, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 389.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138207, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 390.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138208, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 391.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138209, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 392.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138210, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 393.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138211, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 394.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138212, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 395.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138213, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 396.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138214, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 397.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138215, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 398.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138216, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 399.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138217, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 400.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138218, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 401.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138219, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 402.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138220, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 403.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138221, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 404.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138222, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 405.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138223, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 406.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138224, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 407.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138225, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 408.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138226, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 409.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138227, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 410.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138228, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 411.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138229, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 412.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138230, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 413.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138231, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 414.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138232, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 415.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138233, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 416.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138234, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 417.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138235, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 418.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138236, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 419.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138237, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 420.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138238, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 421.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138239, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 422.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138240, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 423.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138241, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 424.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138242, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 425.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138243, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 426.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138244, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 427.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138245, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 428.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138246, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 429.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138247, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 430.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138248, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 431.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138249, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 432.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138250, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 433.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138251, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 434.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138252, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 435.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138253, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 436.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138254, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 437.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138255, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 438.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138256, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 439.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138257, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 440.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138258, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 441.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138259, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 442.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138260, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 443.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138261, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 444.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138262, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 445.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138263, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 446.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138264, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 447.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138265, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 448.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138266, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 449.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138267, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 450.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138268, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 451.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138269, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 452.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138270, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 453.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138271, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 454.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138272, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 455.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138273, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 456.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138274, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 457.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138275, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 458.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138276, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 459.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138277, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 460.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138278, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 461.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138279, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 462.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138280, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 463.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138281, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 464.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138282, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 465.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138283, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 466.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138284, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 467.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138285, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 468.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138286, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 469.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138287, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 470.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138288, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 471.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138289, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 472.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138290, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 473.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138291, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 474.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138292, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 475.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138293, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 476.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138294, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 477.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138295, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 478.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138296, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 479.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138297, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 480.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138298, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 481.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138299, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 482.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138300, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 483.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138301, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 484.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138302, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 485.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138303, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 486.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138304, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 487.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138305, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 488.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138306, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 489.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138307, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 490.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138308, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 491.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138309, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 492.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138310, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 493.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138311, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 494.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138312, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 495.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138313, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 496.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138314, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 497.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138315, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 498.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138316, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 499.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138317, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 500.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138318, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 501.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138319, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 502.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138320, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 503.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138321, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 504.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138322, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 505.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138323, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 506.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138324, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 507.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138325, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 508.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138326, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 509.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138327, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 510.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138328, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 511.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138329, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 512.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138330, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 513.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138331, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 514.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138332, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 515.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138333, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 516.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138334, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 517.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138335, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 518.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138336, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 519.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138337, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 520.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138338, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 521.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138339, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 522.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138340, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 523.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138341, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 524.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138342, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 525.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138343, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 526.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138344, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 527.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138345, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 528.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138346, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 529.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138347, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 530.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138348, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 531.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138349, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 532.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138350, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 533.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138351, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 534.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138352, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 535.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138353, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 536.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138354, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 537.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138355, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 538.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138356, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 539.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138357, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 540.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138358, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 541.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138359, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 542.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138360, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 543.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138361, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 544.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138362, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 545.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138363, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 546.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138364, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 547.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138365, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 548.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138366, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 549.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138367, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 550.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138368, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 551.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138369, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 552.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138370, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 553.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138371, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 554.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138372, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 555.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138373, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 556.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138374, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 557.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138375, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 558.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138376, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 559.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138377, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 560.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138378, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 561.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138379, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 562.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138380, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 563.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138381, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 564.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138382, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 565.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138383, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 566.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138384, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 567.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138385, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 568.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138386, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 569.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138387, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 570.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138388, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 571.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138389, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 572.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138390, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 573.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138391, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 574.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138392, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 575.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138393, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 576.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138394, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 577.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138395, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 578.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138396, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 579.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138397, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 580.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138398, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 581.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138399, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 582.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138400, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 583.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138401, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 584.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138402, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 585.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138403, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 586.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138404, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 587.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138405, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 588.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138406, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 589.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138407, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 590.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138408, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 591.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138409, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 592.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138410, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 593.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138411, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 594.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138412, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 595.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138413, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 596.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138414, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 597.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138415, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 598.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138416, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 599.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138417, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 600.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138418, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 601.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138419, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 602.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138420, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 603.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138421, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 604.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138422, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 605.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138423, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 606.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138424, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 607.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138425, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 608.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138426, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 609.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138427, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 610.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138428, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 611.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138429, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 612.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138430, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 613.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138431, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 614.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138432, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 615.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138433, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 616.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138434, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 617.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138435, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 618.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138436, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 619.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138437, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 620.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138438, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 621.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138439, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 622.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138440, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 623.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138441, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 624.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138442, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 625.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138443, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 626.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138444, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 627.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138445, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 628.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138446, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 629.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138447, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 630.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138448, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 631.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138449, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 632.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138450, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 633.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138451, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 634.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138452, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 635.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138453, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 636.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138454, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 637.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138455, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 638.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138456, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 639.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138457, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 640.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138458, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 641.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138459, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 642.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138460, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 643.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138461, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 644.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138462, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 645.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138463, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 646.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138464, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 647.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138465, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 648.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138466, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 649.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138467, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 650.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138468, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 651.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138469, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 652.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138470, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 653.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138471, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 654.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138472, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 655.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138473, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 656.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138474, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 657.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138475, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 658.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138476, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 659.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138477, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 660.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138478, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 661.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138479, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 662.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138480, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 663.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138481, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 664.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138482, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 665.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138483, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 666.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138484, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 667.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138485, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 668.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138486, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 669.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138487, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 670.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138488, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 671.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138489, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 672.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138490, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 673.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138491, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 674.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138492, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 675.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138493, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 676.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138494, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 677.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138495, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 678.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138496, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 679.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138497, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 680.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138498, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 681.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138499, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 682.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138500, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 683.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138501, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 684.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138502, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 685.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138503, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 686.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138504, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 687.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138505, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 688.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138506, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 689.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138507, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 690.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138508, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 691.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138509, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 692.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138510, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 693.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138511, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 694.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138512, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 695.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138513, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 696.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138514, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 697.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138515, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 698.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138516, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 699.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138517, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 700.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138518, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 701.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138519, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 702.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138520, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 703.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138521, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 704.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138522, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 705.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138523, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 706.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138524, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 707.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138525, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 708.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138526, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 709.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138527, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 710.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138528, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 711.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138529, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 712.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138530, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 713.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138531, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 714.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138532, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 715.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138533, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 716.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138534, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 717.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138535, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 718.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138536, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 719.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138537, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 720.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138538, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 721.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138539, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 722.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138540, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 723.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138541, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 724.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138542, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 725.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138543, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 726.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138544, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 727.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138545, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 728.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138546, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 729.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138547, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 730.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138548, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 731.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138549, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 732.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138550, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 733.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138551, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 734.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138552, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 735.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138553, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 736.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138554, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 737.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138555, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 738.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138556, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 739.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138557, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 740.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138558, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 741.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138559, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 742.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138560, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 743.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138561, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 744.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138562, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 745.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138563, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 746.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138564, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 747.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138565, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 748.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138566, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 749.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138567, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 750.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138568, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 751.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138569, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 752.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138570, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 753.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138571, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 754.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138572, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 755.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138573, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 756.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138574, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 757.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138575, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 758.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138576, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 759.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138577, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 760.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138578, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 761.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138579, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 762.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138580, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 763.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138581, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 764.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138582, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 765.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138583, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 766.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138584, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 767.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138585, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 768.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138586, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 769.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138587, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 770.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138588, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 771.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138589, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 772.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138590, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 773.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138591, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 774.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138592, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 775.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138593, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 776.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138594, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 777.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138595, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 778.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138596, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 779.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138597, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 780.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138598, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 781.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138599, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 782.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138600, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 783.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138601, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 784.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138602, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 785.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138603, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 786.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138604, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 787.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138605, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 788.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138606, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 789.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138607, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 790.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138608, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 791.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138609, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 792.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138610, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 793.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138611, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 794.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138612, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 795.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138613, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 796.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138614, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 797.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138615, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 798.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138616, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 799.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138617, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 800.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138618, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 801.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138619, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 802.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138620, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 803.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138621, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 804.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138622, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 805.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138623, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 806.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138624, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 807.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138625, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 808.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138626, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 809.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138627, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 810.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138628, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 811.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138629, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 812.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138630, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 813.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138631, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 814.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138632, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 815.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138633, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 816.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138634, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 817.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138635, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 818.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138636, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 819.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138637, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 820.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138638, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 821.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138639, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 822.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138640, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 823.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138641, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 824.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138642, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 825.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138643, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 826.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138644, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 827.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138645, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 828.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138646, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 829.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138647, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 830.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138648, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 831.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138649, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 832.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138650, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 833.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138651, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 834.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138652, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 835.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138653, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 836.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138654, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 837.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138655, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 838.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138656, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 839.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138657, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 840.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138658, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 841.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138659, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 842.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138660, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 843.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138661, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 844.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138662, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 845.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138663, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 846.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138664, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 847.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138665, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 848.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138666, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 849.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138667, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 850.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138668, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 851.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138669, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 852.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138670, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 853.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138671, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 854.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138672, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 855.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138673, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 856.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138674, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 857.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138675, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 858.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138676, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 859.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138677, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 860.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138678, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 861.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138679, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 862.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138680, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 863.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138681, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 864.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138682, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 865.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138683, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 866.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138684, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 867.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138685, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 868.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138686, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 869.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 138687, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) 870.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 278168, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) p 001.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 342018, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) p 003.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 342016, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) p 004.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 342013, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) p 005.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}, {"pageid": 342012, "title": "Seite:Die Gartenlaube (1878) p 006.jpg", "html": "
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
\n\n\n\n\n\n
\"Liste.png\"\nVerschiedene: Die Gartenlaube (1853)
\n
\n

\n

\n
\n
\n

in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n

Und noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n


\n

\n
\n


\n

\n

Aus der Menschenheimath.

\n
Briefe[1]
\n
Des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.
\n
Erster Brief.
\n

Da ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n

Wenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n

So war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n

\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch

    \n
  1. \u2191 Wie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.\n
  2. \n
\n
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_007.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2019)
\n\n\n\n\n
", "wikitext": "{{Seitenstatus2|Verschiedene|[[Die Gartenlaube (1853)]]|Die Gartenlaube (1853)}}
in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.
\n\n\n{{line|10}}\n\n
\n{{GL\u00dcberschrift|1||Aus der Menschenheimath.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||BriefeWie Mancher schreibt Briefe an einen seiner Freunde und ahnet nicht, da\u00df sp\u00e4ter sein Freund oder dessen Hinterlassene die gesammelten Briefe zu aller Welt Nutz und Frommen drucken lassen. Nicht Alles, was f\u00fcr den Druck geschrieben wird, ist werth, da\u00df man es druckt; aber Vieles, was blos f\u00fcr eines einzelnen Freundes Kopf und Herz bestimmt war, verdient durch den Druck Vielen zug\u00e4nglich gemacht zu werden. Die Red. hat gemeint, da\u00df auch diejenigen Briefe dies verdienen, welche ein alter hochverdienter Schulmann an seinen ehemaligen Sch\u00fcler geschrieben hat. Die Bilderchen, die den Briefen beiliegen, sollen immer in sauberen Holzschnitten ausgef\u00fchrt und den gedruckten Briefen beigef\u00fcgt werden.}}\n{{GL\u00dcberschrift|2||'''Des Schulmeisters''' emer. '''Johannes Frisch an seinen ehemaligen Sch\u00fcler.'''}}\n{{GL\u00dcberschrift|3||Erster Brief.}}\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch
{{references}}{{Zitierempfehlung|Projekt= Verschiedene: ''Die Gartenlaube (1853)''. Leipzig: Ernst Keil, 1853|Seite=7}}", "plaintxt": "in der gro\u00dfen Stadt ohne H\u00fclfe und Freund, auf der Stra\u00dfe von den Gassenbuben mit dem Zuruf: Dutchman! Dutchman! verh\u00f6hnt, glaubt sich der Arme in einem Lande herzloser Schurken und denkt mit Thr\u00e4nen an die verlassene Heimath zur\u00fcck. Man mu\u00df diesem Elend begegnet sein, um daran zu glauben. W\u00e4hrend der raffinirteste Luxus in der Stadt so weit getrieben wird, da\u00df z. B. in dem Bureau einer Zeitung (Sun) eine gro\u00dfe seidene, f\u00e4cherartige, mit goldenen Buchstaben \u00fcberdeckte Maschine angebracht ist, die dem Eintretenden in den hei\u00dfen Monaten k\u00fchle Luft zuf\u00e4chelt, ist es keine Seltenheit, da\u00df von unsern ankommenden Landsleuten, die gesund vom Schiffe kommen, einzelne vor Hunger und Mangel aller Art elendiglich umkommen.\n\nUnd noch bin ich nicht zu Ende mit meinem Unkengeschrei. Wenn ich wahr sein will, mu\u00df ich nothgedrungen noch manches d\u00fcstere Gem\u00e4lde vor Deinen Blicken aufrollen. Denn nur dadurch, da\u00df ich auch die Kehrseite unsrer Zust\u00e4nde schildere, kann ich die th\u00f6richten, sanguinischen Hoffnungen, mit denen so Viele hierher kommen, etwas d\u00e4mpfen. Da\u00df trotz alledem Amerika das einzige Land der Zukunft ist, in dem noch Millionen meiner Landsleute eine sch\u00f6ne gl\u00fcckliche Existenz finden k\u00f6nnen \u2013 das hoffe ich Dir sp\u00e4ter ebenfalls zu beweisen.\n\nDa ist sie nun wieder, die Zeit der Weihnacht und des Jahreswechsels. Da freut sich Alles, Alt und Jung \u2013 Gro\u00df und Klein, und alle H\u00e4nde regen sich, alle Sinne m\u00fchen sich, wie wohl den lieben Angeh\u00f6rigen eine Freude zu machen w\u00e4re. Es mag herkommen, wo es will, zu einem Lichterb\u00e4umchen und ein Paar Aepfeln und N\u00fcssen wird Rath geschafft; und die kleinen Kinderchen lernen ein Verschen auswendig, um den Alten eine Freude zu machen; die Gr\u00f6\u00dferen schreiben es auch wohl, und die M\u00e4dchen stricken dem alten Vater ein Paar warme Socken. Du lieber Himmel, wenn ich so an all\u2019 das denke, so wird mir ganz weich um\u2019s Herz, denn ich habe ja Niemand, Niemand, dem ich eine Vaterfreude machen k\u00f6nnte, Niemand, den ich als guten Sohn oder als herzliebes T\u00f6chterlein an\u2019s Herz dr\u00fccken k\u00f6nnte. Alles ist mir gestorben. Meine Frau hat mich verlassen, und mein Robert liegt bei den D\u00fcppeler Schanzen verscharrt. Du wei\u00dft ja, wo er liegt, denn er fiel an Deiner Seite.\n\nWenn ich Abends so ganz allein im St\u00fcbchen sitze \u2013 die alte treue Magd sitzt theilnahmlos am Spinnrocken, denn sie ist halb taub \u2013 und ich so vor mich hin sinne, und Alles um mich her bis auf das ewige Ticktack der alten Wanduhr m\u00e4uschenstill ist; so kann ich manchmal recht traurigen Herzens werden. Dann kommt mein alter Karo hinter dem Ofen hervor und legt seinen Kopf auf meinen\nSchoos und schaut mich mit seinen Augen so treuherzig an, als wollte er mich fragen um mein Herzeleid.\n\nSo war\u2019s auch neulich Abend einmal. Ein Decembersturm r\u00fcttelte an den alten, morschen Fensterladen und den ganzen Tag hatte ich keine Seele gesehen; denn vor meinem abgelegenen H\u00e4uschen kommt bei sch\u00f6nem Wetter selten Jemand vor\u00fcber, geschweige denn bei argem Gest\u00f6ber, wie es den ganzen Tag gehaust hatte. Ich war aber nicht eigentlich traurig, sondern vielmehr weich, sehnsuchtsvoll gestimmt, denn ich dachte an Dich und die frohen Tage, die ich vorigen Herbst bei Dir und Deiner braven Frau verlebt hatte. Ich erinnerte mich alles dessen, was wir gesprochen hatten. \u201eWas mag er denn machen!\u201c dachte ich, \u201ek\u00f6nntest Du doch die Weihnachts- und Neujahrszeit bei ihm und seinen muntern Buben zubringen!\u201c So gab ein Gedanke den andern. Zuletzt war ich bis zu dem Gedanken gekommen, den Du jetzt schwarz auf wei\u00df in H\u00e4nden hast. Ich dachte, wenn auch die alten Beine und der leichte Geldbeutel den weiten Weg bis in Dein Haus unm\u00f6glich machten, so konnte ich ja doch brieflich bei Dir sein. Da bin ich nun. Siehst Du mich nicht zwischen den Zeilen stehen, wie ich Dir l\u00e4chelnd die Hand zum Gru\u00dfe reiche?\n\nWie das Alles so in meinen grauen Kopf gekommen ist \u2013 fragst Du? Du wei\u00dft ja, da\u00df ich leider weiter nichts zu thun habe, als was ich mir auf eigne Hand zu schaffen mache. Du wei\u00dft auch, da\u00df ich selbst immer etwas Neues aus guten B\u00fcchern lerne und daher auch Andern davon mittheilen kann. Meine Liebhaberei zu den B\u00fcchern habe ich immer noch und mancher hochgelehrte Herr Professor w\u00fcrde sich wundern, in dem armseligen St\u00fcbchen eines Schulmeister emer. einen vollen B\u00fccherschrank zu finden. Wird auch nebst meinem alten Lehnstuhl und meinen Bienenk\u00f6rben meine einzige Verlassenschaft sein! Du lieber Himmel, f\u00fcr wen? Doch"}]